Insights

Dominik Mohilo ist Redakteur und IT-Experte bei der Münchner Kommunikations-Beratungsgesellschaft PR-COM, die maßgeblich Tech-Unternehmen betreut. (Quelle: PR-COM)
26. Apr 2024

Goodbye, Meinungsfreiheit?​

Von Dominik Mohilo, Redakteur und IT-Experte bei der Münchner Kommunikations-Beratungsgesellschaft PR-COM, die maßgeblich Tech-Unternehmen betreut.

„Das Internet ist kein rechtsfreier Raum.“ Mit diesem oft beschmunzelten Zitat überzeugte die ehemalige Bundesjustizministerin Christine Lambrecht vielleicht die unbedarfte Öffentlichkeit. Fakt ist aber, dass es für Betreiber von Webseiten, die fremden Content erlauben, de facto unmöglich ist, deutsches Recht flächendeckend durchzusetzen. Daran ändert das nach dem Bundestag nun auch vom Bundesrat verabschiedete Gesetz zur Durchsetzung des EU DSA (Digital Services Act) ebenfalls nichts. Im Gegenteil: Es wirft neue Probleme auf, die der Gesellschaft noch größeren Schaden zufügen.

In sozialen Netzwerken wie X (ehemals Twitter) und auf Verkaufsplattformen mit Marktplatz wie Amazon oder Videoportalen wie YouTube produzieren Milliarden von Nutzern zuweilen fragwürdige Inhalte. Das reicht von sogenannten Hassreden und Volksverhetzungen bis zum Angebot gefälschter Mode- oder Technikartikel. Doch wie sollen beispielsweise soziale Medien wie X, auf denen Nutzer Schätzungen zufolge jeden Tag mindestens 500 Millionen Nachrichten, Videos oder Bilder veröffentlichen, jemals den gesamten fragwürdigen Content erkennen und löschen? Die schiere Masse rechtlich möglicherweise relevanter Inhalte macht ein manuelles Aufspüren und Löschen praktisch unmöglich. Auch die Communities werden da nicht helfen können, trotz der nun gesetzlich vorgeschriebenen „Melde- und Aktionsverfahren“. Die entsprechenden Meldungen müssen die Betreiber nämlich „diskriminierungsfrei und unter Wahrung der Grundrechte, einschließlich des Rechts auf freie Meinungsäußerung und des Datenschutzes“ prüfen und bearbeiten. Das ist mindestens genauso aufwendig wie selbst nach den Verstößen zu suchen, denn die Anzahl an meldenden Usern und die der Poster werden sich wohl so ziemlich sicher die Waage halten.

KI scheint auf den ersten Blick die Lösung zu sein. Doch was droht ist sogenanntes Overblocking, also das proaktive Filtern und Löschen von Inhalten durch Algorithmen, egal ob rechtlich relevant oder nicht. Der Einsatz künstlicher Intelligenz ist daher mindestens problematisch und begünstigt am Ende vermutlich sogar eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Überhaupt ist die Frage, ob durch die Verabschiedung des DSA die Meinungsfreiheit nicht eher in Gefahr gerät: Der Digital Services Act verpflichtet Plattformbetreiber nämlich nicht nur rechtswidrige Inhalte zu löschen. Auch Inhalte, die „tatsächliche oder absehbare nachteilige Auswirkungen auf die gesellschaftliche Debatte und auf Wahlprozesse und die öffentliche Sicherheit“ haben, müssen sie überprüfen – was auch immer das bedeuten soll. Plattformbetreiber werden wegen der drohenden schmerzhaften Strafen also lieber einmal mehr als einmal zu wenig umstrittene Inhalte löschen. Übrigens beinhaltet das Gesetz auch die Möglichkeit, in einer als Krise eingestuften Situation Plattformen wie soziale Medien rundweg abzuschalten. Was das für einen freien gesellschaftlichen Diskurs und die freie Meinungsäußerung bedeutet, kann sich jeder selbst ausmalen.

Der Wunschtraum nach einem stärker und besser regulierten Internet nimmt somit zwar auf dem Papier Formen an, bringt aber einen Rattenschwanz an Implikationen mit sich, die unsere liberale Gesellschaft bedrohen könnten. Von der Durchsetzbarkeit durch die ohnehin überlastete Judikative einmal abgesehen. Grundsätzlich ist der Ansatz natürlich der richtige: Gerade große Plattformen müssen sich ihrer Verantwortung für die Gesellschaft bewusst sein und rechtswidrige Inhalte einschränken. Ob wir uns mit dem Digital Services Act allerdings einen Gefallen getan oder einen Bärendienst erwiesen haben, das wird die Zeit zeigen.

Über PR-COM

PR-COM in München ist Experte für PR, Social Media und Kommunikation und fokussiert auf die High-tech- und IT-Industrie im B2B-Umfeld. Bedingungslos hohe Qualität steht für alle 45 Kolleginnen und Kollegen an erster Stelle. So begeistern unsere Berater ihre Kunden mit dem Erfolg, den sie Monat für Monat in den Medien erzielen, und dem Vertrauen, das die Zusammenarbeit so wertvoll macht. Unser 9-köpfiges Redaktionsteam besticht durch langjährige IT-Fachexpertise gepaart mit journalistischem Können. Weil wir nichts langweiliger finden als herkömmliche Kommunikation, gehen wir stets die Extrameile und arbeiten mit viel Herzblut an neuen Strategien und Ideen für unsere 45 Kunden. Wir wissen: Hinter jeder starken Agentur steht ein starkes Team. Wir tun deshalb alles dafür, dass sich unsere Mitarbeiter wohlfühlen und weiterentwickeln können. Stillstand ist für uns keine Option. Mehr unter www.pr-com.de

Weitere Informationen​

PR-COM GmbH
Katrin Link
Tel. +49-89-59997-814
katrin.link@pr-com.de
www.pr-com.de