Dichter und Denker sind keine Digitalpioniere
Im internationalen Vergleich ist Deutschlands Rolle im digitalen Zeitalter verschwindend gering. Anstelle von Aufbruchsstimmung und Innovationsgeist herrschen Skepsis und Zögern, wenn es um neue Technologien geht – sowohl in der Bevölkerung als auch in der Wirtschaft. Woher kommt die digitale German Angst? Eine Spurensuche in einem Land, das für seine technischen Errungenschaften einst weltberühmt war.
Von Jan Bernecke, IT-Fachredakteur bei der PR- und Kommunikationsagentur PR-COM
Der digitale Fortschritt hat viele Gesichter. Von E-Government-Services für bequeme Online-Behördengänge über autonome Fahrzeuge und mobile Bezahlmethoden bis hin zum Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Medizin oder Produktion – die Möglichkeiten scheinen unendlich. Zumindest dort, wo eine breite Akzeptanz für neue Technologien herrscht. In Deutschland scheint das derzeit nicht der Fall zu sein. Während sich unsere Nachbarn beispielsweise viel schneller an den Komfort des bargeldlosen Bezahlens gewöhnt haben, hängt der Bundesbürger nicht ohne eine gewisse Sentimentalität an Münzen und Scheinen. Nur ein Beispiel von vielen, das das vorherrschende Sicherheitsdenken verdeutlicht. Hinzu kommt ein digitaler Dornröschenschlaf, dessen Folgen sich am maroden und veralteten Zustand der IT in der öffentlichen Verwaltung und im Bildungssystem ablesen lassen. Die Bedenken und das Abwarten sind eine akute Gefahr, zum einen für den Wirtschaftsstandort Deutschland, zum anderen für die Gesellschaft selbst, die mit einer geringen digitalen Kompetenz den technologischen Anschluss zu verlieren droht.
Aber wieso scheint diese Geisteshaltung vorrangig die deutsche Identität zu prägen, während unsere Nachbarländer schon lange ihren digitalen Pioniergeist entdeckt haben, massiv in digitale Infrastruktur investieren und weniger Bedenken gegenüber Dingen wie bargeldlosem Bezahlen oder elektronischen Krankenakten haben?
Alles, nur kein Risiko
Die Ablehnung des Neuen ist ein kulturelles Phänomen und eng verknüpft mit dem Festhalten an Bekanntem und Bewährtem. Das Ändern des Status quo kann unbekannte Folgen nach sich ziehen und Auswirkungen auf das Leben haben, das so viele Menschen nicht ändern wollen. Das beste Mittel zur Risikovermeidung sehen viele Deutsche in Routinen und Traditionen, die die Gefahren des Unbekannten ausgrenzen sollen. So jedenfalls der Wunsch. Es ist allerdings auch ein Ruf nach Sicherheit in instabilen Zeiten – und wo ein Wunsch nach Sicherheit herrscht, ist die Angst nicht weit. Zum anderen ist da aber auch die eher diffuse, schwerer zu greifende Angst, Veränderungen könnten negative Folgen auf den eigenen Lebensstandard haben.
Diese Befürchtungen sind nicht aus der Luft gegriffen, sie sind die Relikte einer Gesellschaft, die die traumatischen Erfahrungen des letzten Jahrhunderts von Generation zu Generation weitergegeben hat. Das gesamteuropäische Trauma des ersten Weltkrieges, die Weltwirtschaftskrise der 1920er Jahre, der erneute Blick in den Abgrund in der Zeit des NS-Regimes und die Grauen des zweiten Weltkrieges haben Deutsche nachhaltig geprägt. Darüber hinaus haben sie verdeutlicht, wie vergänglich materielle Werte und Wohlstand sind. So paradox es klingen mag, aber insbesondere der deutsche Aufschwung in den Nachkriegsjahren, die Rückkehr von Alltag und Luxus, sind ebenfalls maßgeblich an der heutigen Geisteshaltung großer Bevölkerungsteile mitverantwortlich. Das nationale Gedächtnis weiß, wie schnell sich Zeiten ändern können – und beeinflusst damit vor allem die älteren Generationen. Es möchte daher eher das bewahren, was ist. Gegen das Fallen hilft schließlich das Sitzenbleiben, jedenfalls in der Theorie.
Warum wir uns selbst blockieren
Deutschland war und ist nicht zuletzt immer noch Exportweltmeister für seine eigenen Tugenden. Die Stereotypen vermitteln Verlässlichkeit, Qualität, Stabilität – Attribute, die lange Zeit als das Maß der Dinge galten. Doch Zeiten ändern sich, in einer schnelllebigen, digitalen Welt kommt es daneben noch auf andere Fähigkeiten an. Die Adaption von Neuem, Flexibilität und Risikofreudigkeit sind mehr und mehr für Erfolg verantwortlich, passen allerdings so gar nicht zu den urdeutschen Werten, die durch das Sicherheitsdenken bestimmt werden. Läuft alles weiter wie bisher, weil es funktioniert und Änderungen eine Unbekannte darstellen, ist der innovative Stillstand nur eine Frage der Zeit. Dass Altbewährtes auch zukünftig den Wohlstand sichert, ist genauso eine Illusion wie der krampfhafte Versuch, sich gegen alle Eventualitäten und Risiken doppelt und dreifach abzusichern. Schließlich ist auch der überversicherte Deutsche ein Stereotyp, der auf sein Bargeld besteht und am liebsten mit Sicherheitshelm spazieren geht. Sicherlich ist das Bild, dass die Welt von uns Deutschen hat, hoffnungslos überzeichnet und in weiten Teilen nicht zutreffend.
Und dennoch sollte uns der Status quo zu denken geben, schließlich kann aus einem überhöhten Sicherheitsdenken schnell eine Wachstumsbremse werden. Während Industrienationen wie China massiv in die Elektromobilität investierten und die USA ein flächendeckendes Infrastrukturnetz für E-Autos aufbaute, hielt die deutsche Mobilbranche so lange zwanghaft am Verbrenner fest, bis der Zug zur Wettbewerbsfähigkeit im wahrsten Sinne des Wortes abgefahren war. Für den Software-Bereich spielt Deutschland ebenfalls kaum eine Rolle, ebenso bei Künstlicher Intelligenz. Wer sich vor Neuem verwahrt, verhindert Innovationen, wer wichtige Investitionen scheut, spart sich schlussendlich in die Bedeutungslosigkeit. Dominiert der Sicherheitsgedanke, bleibt wenig Spielraum für Änderungen am Geschäftsmodell oder mutige Entscheidungen. Genau die sind es aber, die an der Schwelle zu einem fortschrittlichen digitalen Zeitalter den Unterschied machen. Eine Wirtschaft, die alles daransetzt, Risiken zu vermeiden, blockiert sich letztlich selbst. Garantien gibt es keine mehr, wir sollten daher den Erfolg mehr im Wagnis suchen, als im Altbewährtem. Denn letzteres liefert uns keine Antworten auf die Fragen von morgen.
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